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Rollrasen für die Artenvielfalt?

29.11.2019
Arbeitseinsatz_Kottenbrook_20191129_2
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Pflegeeinsatz des Naturschutzzentrums im Merfelder Feuchtgebiet

Am vergangenen Freitag (29.11.2019) blieben Passanten am Rande des Kottenbrooks bei Merfeld verwundert stehen. In der letzten Zeit haben große Maschinen begonnen, die Trasse der neuen Bundesstraße herzurichten. Nun jedoch waren 14 Personen mit Minibagger, Autoanhänger und Schubkarren in der Feuchtwiese damit beschäftigt, den Oberboden wie Rollrasen abzuschälen, zu verladen und an anderer Stelle wieder aufzubringen. Insgesamt eine schlammige Angelegenheit, nachdem es tagelange zuvor regnete. Die Aktion, die von Mitarbeitern des Naturschutzzentrums umgesetzt wurde, ist eine Premiere für den Artenschutz im Kreis. Mit ihr wurde eine ganze Sumpfdotterblumenwiese umgepflanzt.

Mit einer kleinen Maschine, die der Bauhof Coesfeld zur Verfügung gestellt hatte, wurden ca. 40 cm breite und rd. 8 cm dicke Grassoden an ausgewählten Stellen aus einer Rinderweide geschält und in Handarbeit in Längen von einem Meter aufgerollt. Viele Hände waren nötig, um diese Rollen mit Schubkarren aus der Wiese zum Anhänger zu bringen, der am Tor auf den Weitertransport wartete, und zu verladen. In einer zweiten Feuchtwiese, 200 Meter entfernt, wurde zeitgleich mit einem kleinen Kettenbagger die Fläche vorbereitet, auf die der ökologisch wertvolle Rollrasen wieder aufgebracht werden sollte. Kaum war die Grasnarbe entfernt, brachte ein Schlepper den Rollrasen. Viele Hände luden die Rollen wieder ab und verlegten sie wie Teppichboden Bahn an Bahn, sodass die Weidenstücke wieder anwachsen können.

Aber warum dieser ganze Aufwand? „Die Trasse der neuen Bundestrasse 67n durchschneidet eine der artenreichsten Feuchtwiesen im Kreis Coesfeld“ so Corinna Becke vom Naturschutzzentrum. Viele Charakterarten des Nass-Grünlandes wie Sumpfdotterblumen, Kuckucks-Lichtnelke, Flutender Schwaden, Gemeine Sumpfsimse, Wiesen-Segge, Glieder-Binse und Sumpf-Hornklee drohen unter der Baustelle zu verschwinden. Zusammen charakterisieren diese Arten die Fläche als Sumpfdotterblumenwiese, welche nach dem Bundesnaturschutzgesetz gesetzlich geschützt ist.

Daher entstand die Idee, die wertvollsten Bereiche der Wiese abzuschälen und im hinteren Bereich des Feuchtgebietes in einer Eigentumsfläche des Naturschutzzentrums wieder anzusiedeln. „Mit dem System der Spender- und Empfängerfläche wollen wir einen wertvollen Pflanzen-Schatz retten und in den Folgejahren die Samen der Arten auf weiteren Naturschutzflächen in der Region wieder verbreiten“ ergänzt ihre Kollegin Kerstin Wittjen.

Der kurzfristige Einsatz des Naturschutzzentrums war nötig, weil eine solche Maßnahme im Planungsprozess der Straße nicht vorgesehen war und die besonderen Arten an dieser Stelle verloren gegangen wären. Die Idee wurde mit dem Landesbetrieb Straßen NRW und der Unteren Naturschutzbehörde erörtert und von beiden Stellen direkt unterstützt.

Für die Zukunft wünscht sich das Naturschutzzentrum, dass die Übertragung wertvoller Grünlandsoden auf eine geeignete Empfängerfläche zu einem Standard bei ähnlichen Bauvorhaben wird. Diese Maßnahme erhält die lokal heimische und an den Standort angepasste Artenvielfalt. Mit gekauften Samenmischungen, die nicht lokal gewonnen werden, kann dieser aus Sicht des Naturschutzzentrums wichtige Ansatz nicht verfolgt werden.

 

Kontakt

Corinna Becke

M. Sc. Landschaftsökologin

Wissenschaftliche Mitarbeiterin| Schwerpunkt Wegrand

Tel: 02502-90 143 84 | Mo. bis Fr., 09.00 - 16.00 Uhr

» corinna.becke(at)naturschutzzentrum-coesfeld.de